Nie wieder auf Geld warten: Wie ich meine Rechnungen verkaufe und sofort Cash habe (Factoring-Guide)
Ihr kennt das. Ihr habt den Auftrag erledigt, der Kunde ist happy, die Rechnung ist raus. 5.000 Euro, zahlbar in 14 Tagen. Oder 30.
Und dann passiert: Nichts.
Tag 31: Erste Mahnung.
Tag 45: Kunde ist im Urlaub.
Tag 60: „Oh, die Rechnung ist wohl untergegangen.“
Währenddessen bucht das Finanzamt pünktlich ab, die Miete fürs Büro ist fällig und eure Mitarbeiter wollen auch nicht auf ihr Gehalt warten. Mich hat dieses „Spielchen“ vor ein paar Monaten fast in den Wahnsinn getrieben. Ich bin kein Inkasso-Büro, ich will arbeiten!
Deshalb habe ich mich mit dem Thema Factoring beschäftigt. Klingt total trocken und nach Großkonzern, ist aber mittlerweile für uns „Kleine“ (Freelancer, Handwerker, kleine Agenturen) absolut genial. Ich habe es getestet und zeige euch hier, wie ihr eure Rechnungen quasi sofort in Geld verwandelt.
Was ist Factoring eigentlich? (Kurz & knapp für Nicht-Banker)
Stellt euch vor, ihr habt eine Rechnung über 10.000 Euro. Anstatt 4 Wochen zu warten, bis der Kunde überweist, gebt ihr die Rechnung an einen Anbieter (den „Factor“).
Der überweist euch sofort (meist innerhalb von 24h) ca. 90% bis 100% der Summe.
Der Kunde zahlt dann später direkt an den Anbieter.
Der Clou dabei: Bei den guten Anbietern („Echtes Factoring“) seid ihr auch das Risiko los. Wenn der Kunde pleite geht und nicht zahlt, ist das nicht mehr euer Problem. Ihr dürft das Geld behalten.
Mein Testlauf: Rechnungsverkauf in der Praxis
Ich war skeptisch. Meine Kunden sollen ja nicht denken, ich hätte Geldprobleme, nur weil ich eine andere Kontoverbindung auf die Rechnung schreibe. Aber es gibt da mittlerweile sehr diskrete Lösungen.
Ich habe mich bei einem der modernen Fintech-Anbieter angemeldet (es gibt da einige gute wie Billie, aifinyo oder Decimo). Mein Test lief so ab:
1. Die Anmeldung
Das ging fix. Kein PostIdent in der Filiale, alles Video-Ident. Ich musste mein Geschäftskonto verknüpfen, damit die sehen, dass ich echte Umsätze mache und keine Briefkastenfirma bin. Nach 20 Minuten war mein Account „scharf“.
2. Rechnung hochladen
Das ist der spannende Teil. Ich hatte eine offene Forderung über 3.500 Euro an einen Stammkunden (GmbH). Ich habe das PDF der Rechnung einfach ins Portal hochgeladen.
Der Algorithmus prüft dann im Hintergrund die Bonität meines Kunden.
Wichtig: Nicht eure Bonität ist hier entscheidend, sondern die eures Kunden! Wenn ihr für Siemens oder Daimler arbeitet, kriegt ihr das Geld sofort. Wenn ihr für den windigen Kiosk um die Ecke arbeitet, wird die Rechnung evtl. abgelehnt.
3. Der Geldregen
Bei mir hat es geklappt. Die Gebühr wurde mir direkt angezeigt (dazu gleich mehr). Ich habe auf „Verkaufen“ geklickt.
Am nächsten Morgen um 10:00 Uhr hatte ich 3.415 Euro auf dem Konto.
Kein Warten. Kein Mahnung schreiben. Ruhe im Kopf.
Was kostet der Spaß? (Die ungeschönte Wahrheit)
Natürlich machen die Anbieter das nicht aus Nächstenliebe. Factoring kostet Geld. Und zwar mehr, als wenn ihr einfach wartet (logisch).
In meinem Fall sah die Rechnung so aus:
- Rechnungssumme: 3.500 €
- Factoring-Gebühr: 2,4 %
- Auszahlung: 3.416 € (abzgl. Gebühr)
Das sind 84 Euro Kosten.
Klingt erstmal viel? Vielleicht. Aber rechnet mal dagegen:
Wenn ich wegen fehlender Liquidität meinen Dispo überziehen muss (oft 12-14 % Zinsen), kostet das auch. Oder noch schlimmer: Wenn ich Skonto bei meinen Lieferanten nicht ziehen kann.
Wenn ich durch das schnelle Geld meinen Lieferanten sofort bezahle und dort 3 % Skonto bekomme, habe ich die Factoring-Gebühr schon wieder drin und sogar Gewinn gemacht!
Stilles vs. Offenes Factoring – Aufpassen!
Hier müsst ihr aufpassen, das ist wichtig für das Kundenverhältnis.
- Offenes Factoring: Ihr schreibt auf die Rechnung: „Bitte zahlen Sie an die Bank XYZ“. Der Kunde weiß, dass ihr die Forderung verkauft habt. Das ist heute im B2B völlig normal, aber manche fühlen sich da unwohl.
- Stilles Factoring: Der Kunde merkt von nichts. Er überweist auf ein Konto, das zwar dem Factor gehört, aber unter eurem Namen läuft oder als Treuhandkonto fungiert. Das ist oft etwas teurer, aber diskreter.
Wann lohnt sich Factoring für dich?
Ich nutze das nicht für jede Rechnung. Das wäre mir auf Dauer zu teuer. Aber ich habe mir eine Strategie zurechtgelegt.
Ich mache es, wenn:
- Ich einen Neukunden habe, den ich noch nicht gut einschätzen kann (wegen dem Ausfallschutz!).
- Ich sofort Material für den nächsten Auftrag kaufen muss.
- Ich einfach meinen Cashflow glätten will, weil im Januar viele Versicherungen abgebucht werden.
Ich mache es NICHT, wenn:
- Der Kunde mein bester Kumpel ist und immer nach 2 Tagen zahlt.
- Die Rechnungssumme sehr klein ist (unter 500 € lohnt der Aufwand meist nicht).
Ein Werkzeug, das in jeden Werkzeugkasten gehört
Für mich ist Factoring wie ein guter Akkuschrauber. Man braucht ihn nicht jeden Tag, aber wenn man ihn braucht, ist man heilfroh, dass er da ist.
Es gibt euch die Macht über eure Finanzen zurück. Ihr seid nicht mehr Bittsteller, der hofft, dass die Buchhaltung beim Großkunden gnädig ist.
Der Markt ist riesig geworden. Früher war das nur was für Millionen-Umsätze. Heute könnt ihr das auch als Freelancer mit 50.000 € Jahresumsatz nutzen.
Mein Tipp: Meldet euch einfach mal bei einem Anbieter an (kostet meistens keine Grundgebühr) und lasst den Account „ruhen“. Wenn es dann mal eng wird, seid ihr mit zwei Klicks liquid.
Frage an euch:
Wie geht ihr mit säumigen Zahlern um? Mahnung schreiben oder Inkasso? Oder habt ihr Factoring auch schonmal getestet? Ich bin gespannt auf eure Stories in den Kommentaren!