Fallstudie: Finanzierung eines Architekturbüros – typische Abläufe, Risiken und Erfolgsfaktoren
1. Ausgangslage
Der Architekt arbeitet seit drei Jahren selbstständig.
Schwerpunkt: Wohnungsbau, kleinere Gewerbeprojekte, Projektsteuerung.
Kennzahlen (letztes Geschäftsjahr):
- Jahresumsatz: ca. 145.000 €
- Gewinn vor Steuern: ca. 62.000 €
- Fixkosten: niedrig (Homeoffice + Coworking)
- Mitarbeiter: keine (freie Mitarbeiter projektbezogen)
Die Auftragslage ist stabil, jedoch projektabhängig.
Zahlungsziele liegen im Schnitt bei 30 bis 60 Tagen, teilweise länger bei öffentlichen Auftraggebern.
2. Finanzierungsanlass
Der Finanzierungsbedarf entsteht nicht aus einer Krise, sondern aus Wachstum:
- Anmietung eines eigenen Büros
- Investition in leistungsfähige CAD-Workstations
- zusätzliche Softwarelizenzen (BIM, Statik, Rendering)
- Aufbau einer Liquiditätsreserve für Projektvorfinanzierung
Gesamter Kapitalbedarf:
→ rund 48.000 €
Davon:
- Investitionen: ca. 28.000 €
- Liquiditätspuffer: ca. 20.000 €
3. Erste Einschätzung durch Banken
Architekten gelten grundsätzlich als bonitätsstark, allerdings mit Einschränkungen:
Positive Faktoren:
- freier Beruf (§18 EStG)
- kein Gewerbesteuerrisiko
- akademische Ausbildung
- stabile Nachfrage
Negative Faktoren:
- projektbezogene Einnahmen
- kaum materielle Sicherheiten
- hoher Anteil immaterieller Leistungen
Die Kreditwürdigkeit wird daher weniger über Sicherheiten, sondern stärker über Zahlen, Planung und Kontoführung bewertet.
4. Typischer Prüfprozess
Die angefragten Banken verlangen üblicherweise:
- Einnahmen-Überschuss-Rechnung der letzten 2 Jahre
- aktuelle BWA
- Kontoauszüge der letzten 6 Monate
- Übersicht laufender Projekte
- einfache Liquiditätsvorschau (12 Monate)
Auffällig:
Nicht der Umsatz entscheidet, sondern die Regelmäßigkeit der Zahlungseingänge.
Unruhige Kontobewegungen oder hohe private Entnahmen wirken sich negativ aus.
5. Finanzierungsstruktur
In der Praxis setzt sich die Finanzierung häufig aus mehreren Bausteinen zusammen:
- Investitionskredit:
ca. 25.000 €
Laufzeit: 5 Jahre
Zweck: Hardware, Software, Büroausstattung - Betriebsmittelreserve / Kontokorrent:
ca. 20.000 €
Zweck: Vorfinanzierung von Projekten, Liquidität - Eigenmittel:
ca. 3.000 €
Diese Kombination ist bei Architekten verbreiteter als ein einzelner Kredit, da sie Flexibilität bietet.
6. Besondere Rolle von Förderkrediten
In vielen Fällen wird zusätzlich ein KfW-Programm eingebunden, z. B.:
- ERP-Gründerkredit Universell (037/047)
- KfW StartGeld (bei kürzerer Selbstständigkeit)
Der Vorteil liegt in:
- längeren Laufzeiten
- geringeren Zinsen
- tilgungsfreien Anlaufjahren
Der Nachteil:
- längere Bearbeitungsdauer
- Abhängigkeit von der Hausbankentscheidung
7. Häufige Ablehnungsgründe bei Architekten
Auch bei grundsätzlich solider Lage scheitern Finanzierungen regelmäßig an Details:
- fehlende Liquiditätsplanung
- private Ausgaben über Geschäftskonto
- zu optimistische Umsatzprognosen
- keine Rücklagen trotz guter Umsätze
- zu hohe Abhängigkeit von einem Großkunden
Architekten unterschätzen oft, wie stark Banken auf Struktur statt Kreativität achten.
8. Ergebnis der Fallstudie
Die Finanzierung wird bewilligt, allerdings nicht in voller Höhe des ursprünglichen Wunsches.
Die Liquiditätsreserve fällt geringer aus, der Investitionsanteil wird priorisiert.
Entscheidend für die Zusage waren:
- nachvollziehbare Projektübersicht
- stabile Einnahmen über mehrere Quartale
- konservative Planung
- saubere Trennung von privat und geschäftlich
9. Einordnung
Diese Fallkonstellation ist für Architekturbüros typisch.
Der Kapitalbedarf ist moderat, die Bonität grundsätzlich vorhanden – die Herausforderung liegt im Cashflow-Management, nicht im Geschäftsmodell.
Architekten sind für Banken keine Risikogruppe, aber auch keine Selbstläufer.
Wer Finanzierung benötigt, muss weniger überzeugen mit Visionen, sondern mit Zahlen, Struktur und Planungssicherheit.
Fazit:
Finanzierung funktioniert für Architekten dann gut, wenn sie ihr Büro nicht nur als kreativen Raum, sondern als betriebswirtschaftlich geführtes Unternehmen verstehen.