Während große Direktbanken auf Digitalisierung und Geschwindigkeit setzen, bleiben Volksbanken und Raiffeisenbanken (VR-Banken) ihrem traditionellen Modell treu: Nähe, Beratung, Vertrauen.
Für viele Selbstständige, Freiberufler und kleine Unternehmen sind sie bis heute der wichtigste Finanzierungspartner – insbesondere in ländlichen Regionen und im Mittelstand.
1. Struktur und Geschäftsmodell
Die rund 700 Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland sind genossenschaftlich organisiert.
Das bedeutet: Jeder Kunde kann auch Mitglied und Miteigentümer werden.
Ziel ist nicht maximale Rendite, sondern wirtschaftliche Förderung der Mitglieder.
Diese Struktur führt zu einem klaren Unterschied zu Großbanken:
Entscheidungen über Kredite, Zinsen und Investitionen werden dezentral getroffen – also direkt in der jeweiligen Region.
Das hat Vorteile für Selbstständige:
Die Bank kennt den Markt, die Branche und häufig auch das Unternehmen persönlich.
2. Kreditangebot und Konditionen
Kreditart | Zielgruppe / Zweck | Kreditsumme | Effektiver Zins (Ø) | Besonderheit |
---|---|---|---|---|
Betriebsmittelkredit | Selbstständige, Freiberufler, KMU | 10.000 – 250.000 € | 4,5 – 6,5 % | flexible Rückzahlung |
Investitionskredit | Maschinen, Fahrzeuge, Modernisierung | bis 2 Mio. € | 3,8 – 5,8 % | kombinierbar mit Fördermitteln |
Gründerkredit | Existenzgründer / Nachfolger | 5.000 – 500.000 € | 3,5 – 6,0 % | Hausbankprinzip (KfW, LfA etc.) |
Immobilienfinanzierung (gewerblich) | Praxis, Büro, Lager | ab 50.000 € | ab 3,6 % | individuell kalkuliert |
Kontokorrentkredit | kurzfristige Liquidität | bis 100.000 € | 6,0 – 9,0 % | Zins nur bei Nutzung |
Die Zinsen variieren je nach Region, Bonität und Sicherheiten.
In vielen Fällen lassen sich staatliche Förderdarlehen (KfW, SAB, L-Bank) direkt über die Volksbank kombinieren.
3. Entscheidungswege und Beratung
Ein zentraler Unterschied zu Direktbanken ist die individuelle Bewertung.
Anstatt starrer Online-Kriterien prüfen Volksbanken die gesamte wirtschaftliche Situation – inklusive Steuerbescheide, Bilanzen, Auftragslage und Sicherheiten.
Vorteil: Auch nicht-lineare Einkommen oder regionale Besonderheiten werden berücksichtigt.
Nachteil: Der Prozess dauert meist länger (oft 1–2 Wochen).
Die persönliche Beratung bleibt jedoch ein zentrales Merkmal:
Kreditentscheidungen werden nicht im Algorithmus, sondern im Gespräch gefällt.
4. Förderintegration
Volksbanken gelten als klassische Hausbanken im Sinne der Förderlandschaft.
Das heißt: Sie können als Vermittler für nahezu alle öffentlichen Programme auftreten, darunter:
- KfW-Unternehmerkredit (037/047)
- ERP-Gründerkredit StartGeld (067)
- Energieeffizienzprogramm (276/278)
- Förderprogramme der Landesbanken
Besonders bei Gründern und Investoren mit nachhaltigen Projekten spielt das eine große Rolle – viele Volksbanken haben eigene Förderberater, die die Programme kombinieren.
5. Zielgruppen
Die Volksbanken positionieren sich klar im regionalen Mittelstand:
- Handwerksbetriebe
- Ärzte und Heilberufe
- Land- und Forstwirte
- Freiberufler mit eigener Praxis
- kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
Digitale Solo-Selbstständige, Influencer oder Online-Unternehmer gehören bislang nicht zur Kernzielgruppe, werden aber zunehmend einbezogen – vor allem durch die Einführung moderner Online-Konten.
6. Digitalisierung – solide, aber nicht führend
Die Volksbanken investieren massiv in ihre IT-Infrastruktur (über die Fiducia & GAD IT AG).
Die Onlinebanking-Plattform ist inzwischen stabil und sicher, jedoch funktional weniger intuitiv als bei Fintechs.
Positive Entwicklungen:
- Digitale Kontoeröffnung
- elektronische Signatur
- Online-Kreditanträge für kleinere Beträge
- App-basierte Verwaltung
Trotzdem bleibt die Volksbank eher eine Hybridbank: persönliche Beratung kombiniert mit digitaler Unterstützung.
7. Stärken und Schwächen im Überblick
✅ Stärken:
- regionale Nähe und persönliche Ansprechpartner
- solide Förderintegration
- hohe Flexibilität bei Sicherheiten
- gute Konditionen für etablierte Betriebe
❌ Schwächen:
- längere Entscheidungsprozesse
- keine volldigitalen Geschäftskonten
- regionale Unterschiede in den Bedingungen
Die Volks- und Raiffeisenbanken bleiben der verlässliche Anker des deutschen Mittelstands.
Sie sind nicht die schnellsten, aber die vertrauenswürdigsten Partner, wenn es um langfristige Finanzierung geht.
Mein Fazit:
Für Selbstständige, die persönliche Beratung, regionale Bindung und stabile Konditionen bevorzugen, sind Volksbanken erste Wahl.
Für reine Online-Unternehmer oder kurzfristige Kreditlösungen gibt es jedoch modernere Alternativen.